Beziehungen, und damit eben auch Paarbeziehungen, finden grundsätzlich auf zwei sehr unterschiedlichen Ebenen statt: der unterbewussten und der bewussten Ebene. Dies hat mit der Funktionsweise unseres Gehirns zu tun: im Kindesalter wird ein unterbewusstes System aufgebaut, damit wir Situationen schnell einschätzen und schnell reagieren können. Wir sollen lernen, welche Situationen gefährlich sein können und was dann zu tun ist.
Da die Zuwendung der Eltern für Kinder überlebenswichtig ist, liegt dabei ein besonderer Aufmerksamkeitsschwerpunkt auf ihren Handlungen und Botschaften.
Viele unterbewusst ausgelöste Verhaltensweisen sind Antworten auf ganz spezielle Verhaltensmuster der Eltern, mit dem Ziel, dass diese sich dem Kind zuwenden oder zugewandt bleiben und auf seine Bedürfnisse eingehen. Findet dies nicht ausreichend statt, bekommt also ein Kind in einem Bereich nicht ausreichend Zuwendung, Aufmerksamkeit oder Anerkennung, bleibt das Bedürfnis als eine schmerzhafte offene Lücke im Unterbewusstsein gespeichert, zusammen mit der Hoffnung auf zukünftige Befriedigung.
Begegnen wir nun, als Erwachsene, einem potentiellen Partner oder Partnerin, so wird die Hoffnung auf Erfüllung unserer Bedürfnisse auf ihn übertragen, und seine bzw. ihre Zuwendung, Aufmerksamkeit und Anerkennung werden überdimensional wichtig für uns. Oftmals bemerken wir diese Übertragung an den dadurch ausgelösten Stresssymptomen unseres Körpers: Herzrasen, Kloß im Hals, Schwitzen, Watte im Kopf… der Volksmund nennt diesen Zustand “Verliebtheit”!
Zudem registriert unser unterbewusstes System jegliche Ähnlichkeit im Verhalten unserer Gegenübers mit dem Verhalten eines unserer Elternteile und reagiert mit einer Flut an Assoziationen aus der Kindheit, und der verstärkten Aktivierung unserer den Eltern gegenüber erlernten Verhaltensweisen. Mit anderen Worten: unbewusst nehmen wir eine kindliche Haltung ein, so als ob wir vom Gegenüber abhängig wären – obwohl wir doch längst erwachsen sind.
Parallel dazu baut sich aber auch eine bewusste Beziehung auf. Dieser Aufbau geht wesentlich langsamer vonstatten, da hierfür ja ein echtes persönliches Kennenlernen nötig ist. Hier geht es wirklich um den Menschen, um die ganz eigene Einzigartigkeit (im Gegensatz zum unterbewussten Umgang, bei dem das Gehirn im Gegenüber immer nur einen Elternteil-Ersatz sieht). Diese Beziehungsebene ist diejenige, die für uns ein wirklich angenehmes und freundliches Miteinander ermöglicht, worin sich beide Partner als geliebt und gemeint empfinden können und im Zusammensein auch regenerieren können. In der Paartherapie geht es darum, den bewussten Umgang zu stärken und auszubauen. Dabei hilft es, die eigenen unterbewussten Reaktionsweisen kennen- und enttarnen zu lernen, und auch die des anderen. Denn wenn beide Partner Klarheit über ihre individuellen “Macken” haben, ist es auch leichter, darüber zu sprechen und Verständnis zum entwickeln (für den anderen, aber auch für sich selbst!) – und einander als “Gesamtpaket” liebevoll zu akzeptieren.
Weiter zu:
Konflikte in der Partnerschaft