Konflikte in der Partnerschaft

In diesem Text möchte ich Ihnen einige unterbewusste Sichtweisen und Verhaltensroutinen erläutern, die in einer Partnerschaft Konflikte verursachen oder verschärfen können.

“Er/sie soll mich doch glücklich machen”
Im Text “Begegnungsebenen in der Partnerschaft” wurde ja bereits ausgeführt, wie auf der unterbewussten Ebene die Partnerin oder der Partner für die Erfüllung unserer Bedürfnisse zuständig erklärt werden kann . Diese Erwartungshaltung ist gekoppelt mit unserer früheren, kindlichen Perspektive, in der wir tatsächlich auf andere angewiesen waren. Wir übersehen dabei unsere tatsächlichen, aktuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten: wir können als Erwachsene unser Überleben selbst sichern. Und nicht nur das: wir können uns um unsere emotionalen Bedürfnisse selbst kümmern, indem wir uns zum einen selbst Zuwendung, Anerkennung, Aufmerksamkeit schenken, und zum anderen unsere sozialen Beziehungen bewusst gestalten.
Als Kinder konnten wir uns unsere Bezugspersonen nicht aussuchen, aber als Erwachsene können wir ja durchaus darauf achten, mit wem wir da befreundet sind, ob  gegenseitige Zuwendung, Anerkennung, Aufmerksamkeit etc. stattfinden oder nicht… Mehrere aufbauende emotionale Bindungen zu pflegen bedeutet, dass die anderen die Freiheit haben, sich in dem Maße zuzuwenden, in dem sie es gerade können und möchten.
Im Hinblick auf die Partnerschaft sollte also klar sein: jede/r ist in erster Linie für sich selbst und den eigenen Anteil an der Partnerschaft zuständig (eventuell muss geklärt werden, wir hier ein Gleichgewicht erreicht werden kann). Diese Zusammenarbeit ist dann, wenn sie funktioniert, die Basis für positive Effekte wie zum Beispiel Gefühle von Freude und Geborgenheit.

“Sie/er hat doch Schuld an dem Ganzen”
Viele Auseinandersetzungen in partnerschaftlichen und anderen sozialen Beziehungen werden auf Nachfrage von den Beteiligten über Schuldzuordnungen erklärt: “er/ sie hat … getan/gesagt” oder auch “…nicht getan / gesagt”, wobei natürlich jede_r eine andere Auffassung davon hat, wer mehr Schuld oder DIE schlechthinnige Schuld woran hat. Die Sichtweise dabei ist praktisch eine strafrechtliche, so als ob es irgendwo eine klare Auflistung aller möglichen Verstösse und vielleicht auch noch eine klar festgehaltenes Strafmaß gäbe. Da dies aber nicht der Fall ist, öffnet die Schuldfrage das Tor zu endlosen Auseinandersetzungen zu den Fragen wie “War es tatsächlich ein Verstoß und wie schlimm war er” und “Was wäre angemessen als Reaktion / Strafe / Wiedergutmachung?”… auf diese Fragen gibt es keine klaren Antworten, sie führen die Streitenden nur in ein riesiges Labyrinth von weiteren Streitpunkten.
Dabei gibt es in der Regel eine Menge Klarheiten, die helfen könnten, einen Konflikt zu lösen. Um sie zu nutzen, müssen beide Partner sich erst einmal entscheiden, die Schuldfrage ruhen zu lassen. Das ist oft leichter gesagt als getan, daher helfe ich in der Therapie dabei, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Statt das Problem selbst wie unter einer Lupe zu betrachten und dadurch immer weiter zu vergrößern, befassen wir uns mit konkreten Lösungsmöglichkeiten.

“Das hab ich schon immer so gemacht”:

Konfliktträchtige Verhaltensroutinen gibt es viele, hier einmal zwei Beispiele zur Veranschaulichung:

– Eine Frau hat als Kind gelernt, sich um andere zu kümmern, also ihren Mitmenschen Aufgaben abzunehmen. Dieses Verhalten wirkt zunächst hilfsbereit und zuvorkommend. Bald wird aber deutlich, dass es sich leider auch um eine ständige Einmischung in die Angelegenheiten der anderen bedeutet. Auf Dauer kann es dann passieren, dass der Partner sich bevormundet oder gegängelt fühlt. Denkbar wäre aber auch ein Gewöhnungseffekt, durch den der Partner sich gar nicht mehr um seine Belange kümmert, seine Entscheidungsfreiheit und Eigenständigkeit aufgibt und fortan grundsätzlich erwartet, dass ihm alles abgenommen wird…

– Ein Mann hat als Kind gelernt, dass von ihm nützliche Taten erwartet werden und Untätigkeit ihm umgehend als Faulheit vorgeworfen wird. Er verbringt also den ganzen Feierabend und die Wochenenden damit, im Haushalt oder Garten herumzureparieren und zu werkeln, und wenn dort nichts zu tun ist, hilft er Nachbarn oder Freunden bei Umzügen, Renovierungen oder sonst etwas. Er vermutet, dass seine Frau zufrieden ist und sogar stolz auf ihn, und bemerkt nicht, wie sie immer frustrierter wird, weil er kaum Zeit mit ihr verbringt. Oder weil er gar nicht gelernt hat, in Ruhezeiten tatsächlich zu entspannen, sondern selbst im Urlaub ständige Anspannung und Betriebsamkeit verbreitet…

Verhaltensroutinen laufen meist unbewusst ab, oder die handelnde Person kann sie zwar benennen, weiß aber nicht, woher sie kommt und wie sie sie abstellen könnte.
In der Paartherapie kann ihre individuelle Logik herausgearbeitet werden. Die Erkenntnis und die anschließende Ausarbeitung und Einübung konkreter Verhaltensalternativen ermöglichen dann die Änderung.

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