Die Artikel “Kinder und Wahrheit” und “Kinder und Atmosphäre” könnten natürlich ebenso heißen “Menschen und …”. Vielleicht sind Ihnen beim Lesen ja sogar Situationen aus Ihrem eigenen Leben eingefallen, in denen Sie durch widersprüchlichen Informationen verunsichert waren oder völlig neben sich standen. Dies ist natürlich, denn als “ehemalige Kinder” sind wir eben auch keine völlig anderen Wesen. Wir Erwachsenen sind letztlich den gleichen geistigen und seelischen Irrungen und Wirrungen ausgesetzt – und es ist zutiefst menschlich, dass sie uns beeinträchtigen und auch aus der Bahn werfen können.
Häufig setzen sich Eltern aber sehr unter Druck, solche und andere scheinbaren Schwächen loszuwerden oder zumindest irgendwie zu verstecken. Sie bilden sich eine Vorstellung davon, wie sie eine gute Mutter oder ein guter Vater sein könnten und versuchen dann, dieser Vorstellung zu entsprechen. Das ist ausgesprochen anstrengend und auslaugend, denn das Spielen einer Rolle ist nichts anderes als dauernde harte Arbeit. Zudem bringt es nur frustrierende Ergebnisse, da die Verständigung und auch der Gefühlsaustausch zwischen Elternteil und Kind durch diese Selbstverfremdung gestört oder sogar ganz blockiert werden.
Daher möchte ich es hier einmal ganz klar sagen: Eltern dürfen sie selbst sein! Erziehungs”fehler” werden sie so oder so machen. Und das ist an sich erst einmal gar kein Problem: Kinder sind nicht “aus Zucker”, im Gegenteil: sie haben eine erstaunliche Fähigkeit, sich an widrige Umstände anzupassen und mit Belastungen klarzukommen. Was sie jedoch wirklich brauchen ist die Zuwendung der Eltern. Diese äußert sich nicht nur in Form von Gefühlsbotschaften, sondern auch auch als Engagement, also den Einsatz von Zeit und Energie, um Fragen und Probleme in der Erziehung zu klären.
Nicht die Erziehungsfehler an sich also, sondern der Umgang damit entscheidet über den Grad der Lebensqualität von Kindern (und indirekt auch Eltern): Menschen, die sich für die Stolpersteine in ihrem eigenen Erziehungsstil interessieren, lernen mit der Zeit dazu. Dadurch kann sich ihr Umgang mit sich selbst und anderen Familienmitgliedern wandeln. Sie bekommen über Rückmeldungen von Außen oder über eigene Erkenntnisse mit, wo etwas schief läuft – und können ihr Verhalten und ihre Kommunikation ändern.
Dadurch werden sie natürlich nicht perfekt, aber sie machen nun andere Fehler.
Kinder bekommen diese Entwicklung sehr genau mit, sie lernen viel daraus und sie tut ihnen gut. Zum einen werden die Eltern hierüber wesentlich erreichbarer: der “Fehler” steht nicht mehr wie eine Mauer zwischen den Menschen. Kinder reagieren ermutigt, Probleme selbst anzusprechen. Zum anderen haben sie nun wirklich hilfreiche Rollenvorbilder, die man nennen könnte: “normale Menschen im normalen Leben”.
In solch einer “offenen” Familienatmosphäre wird Erziehung zu einem spannenden, ermutigenden und motivierenden Feld: Kinder und Eltern können sich wohlfühlen, regenerieren, nehmen die eigene Entwicklung wahr und lernen einander auf einer neuen Ebene kennen. Zu meinen Zielen als Spieltherapeutin gehört es natürlich unbedingt, eine solche Familienatmosphäre zu fördern.
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